Wilder Ritt am Ende der Welt
So meistern Mensch, Material und Maschinen eine der berüchtigtsten Seestraßen der Welt.

Die Drake Passage
Die Urgewalt des Wassers zu beherrschen ist eine herausfordernde Aufgabe. Zwischen dem chilenischen Kap Hoorn und der Antarktischen Halbinsel wird es aber zur Herausforderung der Superlative. Grund dafür ist die stärkste Meeresströmung der Welt: Der antarktische Zirkumpolarstrom ist eine ringförmige, kalte Meeresströmung, die die Antarktis umspült. In ihrem Lauf bilden die Landspitze Südamerikas und die Antarktische Halbinsel einen engen Flaschenhals, der die Strömung gefährlich stark beschleunigt. „Die durchströmende Wassermenge wird auf 170 Millionen Kubikmeter pro Sekunde geschätzt, was etwa 100-mal größer wäre als die aller Flüsse der Welt zusammen“, erklärt Clément Vic, Forscher für physikalische und Weltraum-Ozeanografie.
Die Ungewissheit ist immer mit an Bord
Die Entdeckung dieser Passage wird dem Freibeuter Sir Francis Drake nachgesagt. Als auf seiner Weltumsegelung zwei seiner Begleitschiffe im Sturm abgetrieben worden sind, soll er auf die Straße aufmerksam geworden sein. Selbst hat er sich den Gefahren der Durchfahrt allerdings nicht gestellt. Vermutlich waren die Holländer Jakob Le Maire und Willem Schouten die ersten, die 1616 den Seeweg erfolgreich meisterten. Obwohl die beiden Kap Hoorn bereits vor über 400 Jahren bezwangen, sind die Herausforderungen auch für die heutige Schifffahrt immer noch extrem.
Starke Winde, die schnelle Strömung, Eisberge und plötzliche Wetterumschwünge sind Grund dafür, dass bis heute rund 10.000 Menschen in diesen Gewässern ihr Leben lassen mussten. Zwar sind Wettervorhersagen und technisches Equipment heute unvergleichlich besser als zu den Zeiten von Le Maire und Schouten, doch noch immer geraten Schiffe in dieser lebensfeindlichen Umgebung in Not. Im Laufe der Zeit sind mehr als 800 Schiffe in der Gegend um Kap Hoorn gesunken. Da die Drake-Passage weit abgelegen von größeren Häfen liegt, rückt Hilfe in Notsituationen in oft unerreichbare Ferne.

Der berüchtigte Drake-Shake
Wo die sehr kalten Luftmassen aus der Antarktis auf die wärmere Luft aus dem Norden prallt, geht es immer wieder hoch her: Die massiven Temperaturunterschiede bringen starke Tiefdruckgebiete hervor, aus denen sich Sturm- und Orkanfelder entwickeln. An rund 300 Tagen des Jahres toben deshalb in diesem verlassenen Winkel der sieben Weltmeere teils heftige Stürme. So kann die Höhe der Wellen von sanften 2 bis 3 Meter bis hin zu atemberaubenden 12 bis 13 Meter reichen. Windstärke 10, was auf der Beaufortskala der Kategorie „Schwerer Sturm“ entspricht, tritt hier regelmäßig auf. Deshalb sagen einige Expeditionserfahrene gern: „Die Antarktis kostet keinen Eintritt, der Preis ist die Drake-Passage“.
Im Regelfall nimmt die Durchfahrt der Drake-Straße zwei Tage in Anspruch, wenn man die kürzeste Land-zu-Land-Verbindung vom argentinischen Ushuaia zur Antarktischen Halbinsel wählt. Hier ist bei der Schiffsführung nicht nur viel Können, sondern auch Erfahrung gefragt. Nur zu leicht wird das Schiff aufgrund der widrigen Verhältnisse in Fahrtgeschwindigkeit, Fahrtrichtung oder Stabilität beeinträchtigt.
Dank moderner Technologie sicher unterwegs
So turbulent die Drake-Passage ist, so stark ist ihre Sogwirkung: Nicht nur unzählige historische Seefahrer, sondern auch Touristen lockt es ans Tor der Antarktis. Die Umgebung ist zwar rau, doch eröffnet sie auch beeindruckende und einmalige Blicke auf eine faszinierende Tierwelt: Buckelwale, Albatrosse, Sturmvögel, Kaiserpinguine und Robben gehören hier zur maritimen Lebensvielfalt. Wer diese facettenreiche Fauna entdecken möchte, der darf heute auf die herausragenden Leistungen versierter Experten vertrauen, um sicher ans Ziel zu kommen.
Dank digitaler Wetterüberwachungssysteme können schon Tage im Voraus Vorhersagen darüber getroffen werden, wie die Durchfahrt durch die Drake-Straße verlaufen wird. So kann die Crew bereits im Vorfeld die Route den gegebenen Wetterbedingungen anpassen. Ausgeklügelte Schiffsstabilisatoren sorgen dafür, dass das Rollen des Schiffs sehr gemindert wird – die Bewegung um die Längsachse ist meist Ursache dafür, dass die Seekrankheit auftritt. Auch das GPS ist ein erheblicher Sicherheitsfaktor, um auch in der wildesten Gischt nicht die Orientierung zu verlieren. Doch nicht zuletzt nautisches Wissen, Wille und Resilienz des Menschen sind es, die Wege ermöglichen, wo es besonders herausfordernd wird.

Die verborgene Macht der Ozeane
Sonne und Mond, der Wind und die Erdrotation schieben zu jeder Zeit unglaubliche Wassermassen rund um die Welt. Deshalb kommt es in unseren Ozeanen niemals zum Stillstand: Im gigantischen Fördersystem reist jeder Wassertropfen immer wieder um den gesamten Globus. Die Dynamik dahinter zu verstehen ist wichtig, da große Meeresströmungen das Klima maßgeblich beeinflussen. Wenn zum Beispiel das Eis an den Polarkappen schmilzt, verstärkt und beschleunigt das den Fluss von Süßwasser mit weniger salzigem, leichterem Oberflächenwasser. Ein Zusammenbruch der Atlantischen Ozeanzirkulation würde die Temperaturen der Meeresoberflächen stark verändern, die sowohl die Atmosphäre als auch die Verteilung des Meereises und der Niederschläge beeinflussen. So könnten sich beispielsweise die Temperaturen in ganz Europa abkühlen.
Gleichzeitig fungieren die Weltmeere als gigantische Wärmespeicher: Sie absorbieren fast 90 Prozent der überschüssigen Wärme unseres Klimasystems. Das macht den Pazifischen Ozean, den Atlantischen Ozean, den Indischen Ozean, den Arktischen Ozean und den Südlichen Ozean zu wichtigen Regulatoren und Stabilisatoren unseres Klimas. Das bedeutet für uns Menschen: Wir müssen uns nicht nur den Herausforderungen stellen, die durch das Element Wasser entstehen – wir müssen uns auch dafür einsetzen, diese wertvolle Ressource zu schützen und zu bewahren.